Rede von Andrea Behm, attac, am 18. April 2015 zum Globalen Aktionstag in München

Liebe Bündnisfreundinnen und – freunde,

sehr geehrte Damen und Herren,

TTIP, CETA und TiSA, die neue Generation der sog. „Freihandels“abkommen, wird die bisherigen Bemühungen der Länder des Südens, Armut und Hunger zu bekämpfen, ad absurdum führen. Die Folge: Die Zahl der heute schon weltweit 50 Millionen Flüchtlinge wird steigen. Ebenso die Zahl jener Flüchtlinge, die auf ihrer Flucht zu Tode kommen, wie die fast 3.500 Flüchtlinge, die nach offiziellen Angaben allein letztes Jahr im Mittelmeer vor unseren Küsten ertranken.

Die Handelspakte TTIP & Co. werden weitere Menschen zwingen, ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen zu verlassen. Denn mit ihnen legen die europäischen Industrieländer und die USA neue, global gültige Spielregeln für die Weltwirtschaft fest – sie sprechen schon von „Goldstandards“ – und untermauern so ihren Weltmachtanspruch. Und das mit fatalen Folgen für all jene Länder, die nicht mit am Verhandlungstisch sitzen. Denn sie werden sich, ob sie wollen oder nicht, an diese Regeln halten müssen, wenn sie am Welthandel teilnehmen möchten. Wie aber können ärmere Länder des Südens die vereinheitlichten TTIP-Standards erfüllen? Wie sollen sie ihre Bürger_innen von einer Flucht abhalten, wenn ihr lebenserhaltender Handel mit Fischereiprodukten, Bananen und Zucker weggebrochen ist, weil TTIP die transatlantischen Zölle auf Landwirtschaftsprodukte abgeschafft hat?

Für ganz Lateinamerika wird das reale Bruttosozialprodukt um 2,8 % und für ganz Afrika südlich der Sahara um 2,1 % schrumpfen. Eine Katastrophe! Nicht nur, weil wieder einmal die Ärmsten am Schlimmsten betroffen wären, sondern auch, weil das Zeichen, das damit in die Welt ausgesendet wird, ein fatales ist: Wir machen unser Ding und hängen Euch ab!

Wir lehnen daher die bilateralen TTIP-Verhandlungen ab. Denn: Verhandlungen müssen multilateral und auf Augenhöhe geführt werden. Die Kolonialzeit ist vorbei!

Aber noch nicht genug: Die neuen Handelspakte werden die Post-2015-Agenda, die sog. „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ (SDGs) untergraben, die die Vereinten Nationen bis September als Nachfolge-Agenda der auslaufenden Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) vereinbaren werden. Im Mittelpunkt stehen dabei der Mensch und der Planet Erde. Die 193 Mitgliedstaaten sind sich einig: Ein „Weiter so wie bisher“ ist keine Option! Inklusive Partnerschaften müssen her auf allen Ebenen – der lokalen, nationalen und der globalen! Ein wahrhaft inklusives und transformatives Wirtschaftssystem und eine globale Solidarität für eine wachsende Nachhaltigkeit sind gefordert. Und keine „Wirtschafts-NATO“!

Nichts anderes aber ist TTIP & Co: Ein exklusiver Club der Reichen, der handelspolitische Blockbildungen von Schwellenländern wie Brasilien, Indien und China versus EU und USA provoziert mit unvorhersehbaren Folgen für den Weltfrieden.

Aber wollen wir all das?

Ich jedenfalls nicht.

Mächtige Technokraten in Brüssel, die wir nicht gewählt haben, treffen sich an Orten, die wir nicht kennen, um Handelsabkommen zu besprechen, von denen wir nichts erfahren. Damit sie Verpflichtungen für uns alle beschließen, die wir nicht wollen und die in eklatantem Widerspruch zu den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen stehen.

Sie opfern das Gemeinwohl und unser aller individuelles Wohl dem Profitstreben einigen – wenigen – internationalen Unternehmen.

Das darf nicht sein! Und deshalb sind wir hier und fordern:

CETA, die TTIP-Verhandlungen und TiSA müssen sofort gestoppt werden!

Wir lehnen einen „totalen Markt“ und die Selbstermächtigung der Wirtschaft ab. Wir, die Inhaber_innen der Souveränität und der Bürgerrechte, verlangen die Demokratie zurück!

Denn: Eine andere Welt ist möglich!

Vielen Dank!